Wir lesen es überall, wir hören es von anderen und wir spüren es deutlich: die Welt steht Kopf. Unsere unterschiedlichen Rollen können nicht mehr in schön zu verarbeitende Stückchen aufgeteilt werden: plötzlich sind wir von früh bis spät Elternteil, Partner*in, Freund*in und gleichzeitig im Home Office oder werden als Hilfs-Lehrer*innen gebraucht. Früher oder später kann das nicht ganz so gut funktionieren, wie es manche von uns vielleicht gehofft haben. Kleinkinder wollen bespielt werden, die Größeren brauchen Hilfe beim Lernen, und Teenager müssen entweder vom Computerspielen oder Treffen mit Freund*innen abgehalten werden. Die Arbeit verlangt den üblichen Output und ausreichend Bewegung mit gesunder Ernährung sollte auch sein. Dazu kommt die Angst vor Verlust des Jobs oder dieser hat bereits stattgefunden: unsere Arbeit, die Menschen die uns nahe stehen, Normalität – all das ist (auch wenn nur vorübergehend) nicht mehr selbstverständlich.
Doch gerade in einer Zeit, in der alles Kopf steht, Arbeit und Frei-Zeit vermischt wird und potenziell alles 24 Stunden am Tag gemacht werden kann, ist es wichtig, ab und an zu „entschleunigen“ – also Tempo rauszunehmen.
Dabei hilft das Entscheiden nach Wertigkeiten und Fragen, die ich mir selbst stellen kann: „Was würde mir heute Gut tun?“ oder „Was ist im Moment wirklich wichtig?“.
Nach der Krise wird die psychische Gesundheit wichtiger sein als die akademischen Fertigkeiten. Was Kinder jetzt wirklich brauchen ist, sich wohl und geliebt zu fühlen und daran zu glauben, dass alles gut wird. Kinder haben genauso viel Angst wie wir, sie können diese nur nicht so ausdrücken. Deshalb ist es so wichtig, es wie Balu der Bär einmal mit Gemütlichkeit zu probieren! Lassen Sie Ihr Kind auch mal ausschlafen (stärkt das Immunsystem und nimmt Druck); reden Sie mit ihm, woran es arbeiten möchte (fördert die Selbstbestimmtheit); oder liegen sie gemeinsam auf der Couch und tun Sie nichts. Der achtsame Umgang mit sich selbst schützt davor, ständig gegen eigene Bedürfnisse zu arbeiten und damit eine drohende Überlastung zu übersehen. Achtsam zu sein bedeutet genau das zu tun, was man jetzt tut, in Gedanken weder einen Schritt voraus noch einen Schritt zurück zu sein, nicht zu fragen, was richtig oder falsch, gut oder schlecht ist, sondern einfach nur zu sein.
Obwohl die Arbeit getan werden muss und die Schule online weiterläuft – die eigene Fürsorge sollte jetzt trotzdem an erster Stelle stehen. Es ist ein kollektives Trauma, dass wir im Moment erleben, und für die Verarbeitung braucht es Zeit und Ruhe.
Die gerade jetzt so wichtige Selbstfürsorge kann aber für jeden etwas anderes bedeuten. Es kann bedeuten, endlich Dinge machen, für die schon lange keine Zeit mehr war, oder auf der Couch zu rasten und (gemeinsam) fernzusehen. Es kann manchen Gut tun, ein tägliches Workout auszuführen und anderen hilft es, im Pyjama zu bleiben. Sich gesund und ausgewogen zu ernähren hilft vielen Menschen, andere brauchen jetzt vielleicht, sich auch einmal Dinge zu gönnen, die man sich sonst vielleicht nicht erlaubt.
Zu einem gesunden Umgang mit sich selbst gehört auch,
- sich selbst Anerkennung auszusprechen
- den Austausch mit anderen zu suchen
- Die Arbeit von der Freizeit abzugrenzen: Verordnen Sie sich selbst handy- oder laptopfreie Zeiten und Zonen; definieren Sie offline-Zeiten für jeden Tag; fragen Sie Emails nur zu bestimmten Zeiten ab
- Planen Sie Genuss-Momente! Was könnten Sie heute genießen? Was würde Ihnen morgen spezielle Freude bereiten?
Doch natürlich muss auch die Arbeit gemacht werden: Grenzen Sie sich dafür wiederum von der Freizeit ab! Setzen Sie Kopfhörer auf, machen Sie wenn möglich die Türe zu – das zeigt: Ich will jetzt nicht gestört werden (von meiner*meinem Partner*in, von den Kindern, …). Kleine Kinder werden das freilich nicht verstehen; sie brauchen Zuwendung und Beschäftigung. Vielleicht können Sie sich mit ihrer*ihrem Partner*in absprechen. Wenn Sie alleine sind, verzichten Sie auf das schlechte Gewissen, wenn Sie als Ablenkung für Ihr Kind vorübergehend den Fernseher oder das Tablet einsetzen. Es ist eine Ausnahmesituation. Stress ist lebensnotwendig und unvermeidbar. Erst wenn die Stress-Belastung zu lange anhält und keine Erholung stattfinden kann, kommt es zu gesundheitlichen Problemen und kann dazu führen, dass wir auf ungünstige Mechanismen zurückgreifen: der Griff zur Zigarette oder zum Alkohol soll dann vermeintlich die erhoffte Entspannung bringen. Deshalb, auch wenn es gerade unmöglich erscheint, richten Sie sich Auszeiten ein – tun Sie, was Ihnen Spaß und Freude bereitet und vor allem: bringen Sie Genuss in Ihren Alltag.