Zwischen Unsicherheit und Orientierung
Der Schulalltag ist geprägt von vielen Herausforderungen: Verhaltensauffälligkeiten, Loyalitätskonflikte zwischen Elternhaus und Schule, emotionale Unsicherheiten bei Kindern und Jugendlichen – und nicht zuletzt eine hohe Belastung für Erwachsene in Schule und Erziehung.
Inmitten all dessen stellt sich immer wieder die Frage: Wie können wir wirksam, klar und gleichzeitig beziehungsorientiert handeln – ohne in autoritäre Muster zurückzufallen oder uns selbst zu verlieren? Genau darum ging es in der Fortbildung „Gruppendynamik & Neue Autorität“, der sich diese Nachlese widmet. Vielen Dank an Brigitte Gartner-Denk, die diese spannende Fortbildung in der Fachstelle NÖ durchgeführt hat, an der ich teilnehmen durfte.
Was ist „Neue Autorität“?
„Neue Autorität“ ist ein Konzept, das von dem israelischen Psychologen Haim Omer entwickelt wurde und sich als präventives und intervenierendes Handlungskonzept in pädagogischen und leitenden Kontexten versteht.
Es geht darum, Autorität nicht über Angst oder Macht auszuüben, sondern durch Haltung, Beziehung und Präsenz.
Neue Autorität stellt die Stärkung der Erwachsenen in den Mittelpunkt – aber nicht im Sinne von „mehr durchgreifen“, sondern im Sinne von mehr Klarheit, Selbstkontrolle und Zusammenarbeit.
Was ich aus der Fortbildung mitgenommen haben
Präsenz statt Kontrolle: Präsenz heißt nicht, dass wir alles im Griff haben, sondern da zu sein und klar zu bleiben, ob räumlich („Wir sind ansprechbar“), zeitlich („Wir kommen darauf zurück“) oder beziehungsmäßig („Wir sehen dich, auch wenn du dich schwierig verhältst“). Präsenz schafft Vertrauen und Orientierung. Und sie beginnt bei mir selbst: mich gut kennen, meine Rolle/meinen Auftrag zu kennen und regelmäßig reflektieren.
- Wachsame Sorge statt Aktionismus: Beobachten, dranbleiben, sich nicht ablenken lassen – aber nicht sofort handeln müssen. Diese Haltung hilft uns, nicht in Machtkämpfe zu geraten, sondern beharrlich und überlegt zu reagieren.
- Verantwortung teilen statt alles alleine tragen: Neue Autorität betont die Bedeutung von Unterstützungsnetzwerken – im Kollegium, mit Eltern oder durch externe Fachkräfte und viele mehr.
Gemeinsam Verantwortung tragen, entlastet und stärkt uns alle.
„Es braucht ein ganzes Dorf, um ein Kind großzuziehen.“ - Beziehungsgesten und Wiedergutmachung statt Strafen: Das bewusste Trennen von Verhalten und Person. Auch wenn ein Kind sich problematisch verhält, bleiben wir in Beziehung. Wiedergutmachung ersetzt Strafe – nicht, weil wir nicht durchgreifen, sondern, weil es wirksamer ist. Schaden wird benannt und gemeinsam eine verantwortungsvolle Handlung geplant. Das schafft Verbindung und Entwicklung – auf beiden Seiten.
Erinnerungssätze
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- „Schmiede das Eisen, wenn es kalt ist“ à nicht sofort, sondern überlegt handeln, wenn die Situation sich nach der Eskalation entspannt hat, auch wenn der Impuls ein anderer ist
- Autorität durch Beziehung, nicht durch Macht
- Beharrlichkeit statt Eskalation
- Transparenz statt Vertuschung – auch wenn es unbequem ist
Fazit
Die Fortbildung hat nicht nur einen Methodenkoffer bereitgestellt, sondern auch eine innere Haltung vermittelt.
Neue Autorität bedeutet für mich:
- Dranzubleiben, auch wenn’s schwierig ist.
- Verantwortung zu übernehmen – und zu teilen.
- Klarheit und Beziehung zusammenzudenken, nicht als Gegensätze.
Gerade in einer Zeit, in der Unsicherheiten und Spannungen im Schulalltag zunehmen, brauchen wir keine „stärkeren Regeln“ – sondern stärkere Erwachsene. Nicht im Sinne von Härte, sondern im Sinne von Klarheit, Präsenz und Beziehung.
Ich bin dankbar für die Impulse aus dieser Fortbildung – und neugierig, wie sich dieses Konzept im Alltag weiter entfaltet.
Lehrende an der KPH Wien/Niederösterreich, Verantwortliche für den Bereich „Neue Autorität“, Schwerpunkt Führungskräfte, Leitung d. Hochschullehrgangs „Neue Autorität“, Supervisorin, Coach und Organisationsberaterin (ÖVS, WKO), Psychodrama-Leiterin und Kommunikationstrainerin (ÖAGG)
