Hebamme untersucht eine schwangere Frau bei einem Hausbesuch

Plötz­lich „schmeckt“ die Ziga­ret­te nicht mehr oder der abge­stan­de­ne Niko­tin­ge­ruch in der Klei­dung des Part­ners ver­ur­sacht Übel­keit und Brech­reiz. Sobald eine Frau ihre Schwan­ger­schaft erahnt, krei­sen unzäh­li­ge Gedan­ken in ihrem Kopf. Unab­hän­gig davon, ob die­se Ver­än­de­rung geplant oder über­ra­schend kommt, tau­chen Fra­gen zur per­sön­li­chen Zukunft, zur Part­ner­schaft, zur beruf­li­chen, finan­zi­el­len und wohn­li­chen Situa­ti­on und – ins­be­son­de­re beim ers­ten Kind – zum Bild des Mut­ter­seins auf. Spä­tes­tens nach dem ers­ten Ter­min in der Pra­xis von Frauenärztin/arzt und wenn das ers­te Ultra­schall­bild zeigt, was ohne­hin bereits inne­res Wis­sen der Frau ist, begin­nen sich Prio­ri­tä­ten und Absich­ten zu ver­schie­ben. Dem her­an­wach­sen­den Kind soll, im Sin­ne einer per­fek­ten Grund­la­ge für das gesam­te Leben, von Beginn an eine gesun­de und behag­li­che Umge­bung gebo­ten wer­den. Gleich­zei­tig mel­den sich Erin­ne­run­gen und das Gewis­sen: Wann war denn noch ein­mal die­ses feucht­fröh­li­che Geburts­tags­fest mei­ner bes­ten Freun­din? Wie vie­le Glä­ser Sekt waren das? Wie vie­le Ziga­ret­ten habe ich an dem Abend geraucht? Wenn ich da schon gewusst hät­te, dass ich schwan­ger bin, hät­te ich mich zurückgehalten!

Niko­tin und Schwan­ger­schaft – Was sagen die Zahlen?

Der Anteil an Rau­che­rin­nen ist in den ver­gan­ge­nen Jah­ren deut­lich gesun­ken, im Gegen­zug sind ver­meint­lich unbe­denk­li­che Pro­duk­te auf den Markt gekom­men. Auf­grund feh­len­der Daten in Öster­reich wur­de 2022/23 eine Erhe­bung in Wien durch­ge­führt, bei der rund 12% der Frau­en ange­ge­ben haben, zumin­dest gele­gent­lich wäh­rend der Schwan­ger­schaft zu rau­chen (vor der Schwan­ger­schaft rauch­ten rund 1/3 der Frau­en zumin­dest gelegentlich).

Schwan­ger­schaft als mög­li­cher Wendepunkt

Eine Schwan­ger­schaft gilt als ein beson­ders ver­än­de­rungs­sen­si­ti­ver Zeit­raum („teacha­ble moment“), die Bereit­schaft zu Ver­hal­tens­ver­än­de­run­gen ist groß. Dabei steht vor allem das Wohl­be­fin­den des Kin­des im Vor­der­grund, mehr noch als der Gedan­ke an die eige­ne Gesund­heit. Die schäd­li­chen Ein­flüs­se von Niko­tin und die gesund­heit­li­chen Fol­gen sind weit­hin bekannt; jede Frau weiß, dass sie ihrem Kind nichts Gutes tut, wenn sie wäh­rend der Schwan­ger­schaft raucht. Die Risi­ken durch akti­ves und pas­si­ves Rau­chen wer­den unter „ande­ren Umstän­den“ neu bewer­tet und ein­ge­stuft, die zusätz­li­chen Risi­ko­fak­to­ren für das Kind wer­den in die Über­le­gun­gen inte­griert. Des­we­gen wird für das Kind auf unge­sun­de Lebens­wei­sen mög­lichst ver­zich­tet. Frau­en tun damit ihrem Kind auch über die Dau­er der Schwan­ger­schaft hin­aus sehr viel Gutes, denn mit dem Rauch­stopp kann früh­kind­li­chen Krebs­er­kran­kun­gen und asym­me­tri­schen Wachs­tums­de­fi­zi­ten vor­ge­beugt wer­den. Wei­ters trifft Rau­chen wäh­rend der Schwan­ger­schaft auf kein/wenig Ver­ständ­nis und sozia­le Rol­len­er­war­tun­gen sowie mora­li­scher Druck sind zusätz­li­che Trieb­fe­dern, die­se Gewohn­heit sein zu las­sen. Da es sich bei einer Schwan­ger­schaft um eine limi­tier­te Zeit­span­ne von rund neun Mona­ten han­delt, kann die Aus­sicht auf Wie­der­auf­nah­me der ursprüng­li­chen Ver­hal­tens­wei­sen nach der Geburt eben­falls ein Moti­va­tor zum (zeit­lich begrenz­ten) Rauch­stopp sein. Ins­ge­samt gilt: Je frü­her der Rauch­stopp erfolgt, umso gerin­ger sind die schäd­li­chen Ein­flüs­se auf den müt­ter­li­chen und kind­li­chen Orga­nis­mus und umso höher ist die Wahr­schein­lich­keit, lang­fris­tig rauch­frei zu bleiben.

Heb­am­men als wich­ti­ge Begleiter*innen

Heb­am­men wer­den von jeher als wich­ti­ge Ansprech­part­ne­rin­nen und Beglei­te­rin­nen rund um Schwan­ger­schaft, Geburt und Wochen­bett genannt. Damit kommt die­ser Berufs­grup­pe unter ande­rem in der Bera­tung und Infor­ma­ti­ons­wei­ter­ga­be zu gesund­heits­för­dern­dem Ver­hal­ten und Prä­ven­ti­on eine gro­ße Bedeu­tung zu. Heb­am­men­be­glei­tung kann wäh­rend der Schwan­ger­schaft (Eltern-Kind-Pass-Bera­tung zwi­schen der 18. und 22. Schwan­ger­schafts­wo­che), zur Geburt (Haus­ge­burt) als auch im Wochen­bett (bis zur 8. bzw. 12. Lebens­wo­che des Kin­des) als Leis­tung der Sozi­al­ver­si­che­rung in Anspruch genom­men wer­den. Die kon­ti­nu­ier­li­che Betreu­ung durch die­se Fach­per­son ermög­licht sowohl den Auf­bau einer ver­trau­ens­vol­len Bezie­hung als auch den regel­mä­ßi­gen Aus­tausch und lau­fen­de Unter­stüt­zung zu rele­van­ten The­men wie u.a. dem Rauch­stopp und die Rauch­abs­ti­nenz nach der Geburt. Heb­am­men hal­ten Infor­ma­tio­nen in münd­li­cher und/oder schrift­li­cher Form bereit, bie­ten indi­vi­du­el­le Gesprä­che an und ver­mit­teln bei Bedarf wei­te­re Unterstützungsangebote.

Rauch­stopp nach der Geburt durchhalten

Wäh­rend der Rauch­stopp vor einer geplan­ten Schwan­ger­schaft oder zu Beginn der Schwan­ger­schaft vie­len Frau­en gelingt, scheint die Abs­ti­nenz nach der Geburt deut­lich schwie­ri­ger zu sein. Unge­fähr die Hälf­te der Frau­en beginnt unmit­tel­bar nach der Geburt wie­der zu rau­chen, bis zu 80% der Frau­en fal­len inner­halb von 12 Mona­ten nach der Geburt in ihr altes Rauch­ver­hal­ten zurück. Frau­en, die ihre Kin­der stil­len, blei­ben län­ger rauch­frei, das Been­den des Stil­lens bedeu­tet für vie­le aber auch das Been­den des Niko­tin­ver­zichts. Grün­de, war­um wie­der mit dem Rau­chen begon­nen wird, sind. u.a. der Wunsch nach dem Kör­per­ge­wicht von vor der Schwan­ger­schaft, das Unter­drü­cken von Hun­ger­ge­füh­len und Stress­re­duk­ti­on. Ein wesent­li­cher Ein­fluss­fak­tor ist auch das Rauch­ver­hal­ten des Partners/ der Partnerin/ der Familie.

Heb­am­men sind nach der Geburt für Sie da

Heb­am­men sind als Exper­tin­nen für Gesund­heits­fra­gen auch über die Wochen­bett­zeit hin­aus in Rück­bil­dungs­kur­sen, Still­grup­pen u.a. prä­sent und geeig­ne­te Unter­stüt­ze­rin­nen. Die Mehr­heit der Frau­en, die in der Schwan­ger­schaft das Rau­chen ein­stel­len, sind auch nach der Geburt moti­viert, abs­ti­nent zu blei­ben. Dabei hilft ihnen die bereits über­wun­de­ne kör­per­li­che Abhän­gig­keit und dass sie vor/während der Schwan­ger­schaft bereits Stra­te­gien ent­wi­ckelt haben, wie sie mit „ver­lo­cken­den“ Situa­tio­nen umge­hen. Um die­se bereits erreich­te Ent­wick­lung zu stüt­zen, emp­fiehlt sich eine fort­lau­fen­de Beglei­tung, z.B. durch Fami­li­en­heb­am­men, die in regel­mä­ßi­gen Abstän­den das Befin­den erfra­gen und ihre Unter­stüt­zung anbie­ten. Emp­foh­len sind auch ergän­zen­de digi­ta­le Inter­ven­tio­nen (Inter­net- und mobi­le Selbst­hil­fe­pro­gram­me, SMS, iris-plattform.de) und Bera­tungs­te­le­fo­ne wie das  Rauch Frei Tele­fon. Eine Niko­tin­er­satz­the­ra­pie soll in der Schwan­ger­schaft nur unter sorg­fäl­tigs­ter Abwä­gung von Nut­zen und Risi­ko und ärzt­lich gynä­ko­lo­gi­scher Über­wa­chung in Erwä­gung gezo­gen wer­den.[1]

Nach­le­se zur Hebammen-Fortbildung:Begleitung beim Rauch­stopp in der Schwan­ger­schaft und danach

geht am 19.5. online


AUTORIN

Stu­di­en­gangs­lei­tung Heb­am­men am IMC Krems

Heb­am­me mit Lei­den­schaft seit 33 Jahren


Quel­len:

[1] Arbeits­ge­mein­schaft der Wis­sen­schaft­li­chen Medi­zi­ni­schen Fach­ge­sell­schaf­ten [AWMF] (2021). S3-Leit­li­nie „Rau­chen und Tabak­ab­hän­gig­keit: Scree­ning, Dia­gnos­tik und Behand­lung“, AWMF-Regis­ter Nr. 076–006, gül­tig bis 31.12.2025

Han­nö­ver, W., Rös­ke, K., Thy­ri­an, J.R., Gremp­ler, J., Rumpf, H.-J., Hap­ke, U., John, U. (2008). Inter­ven­tio­nen gegen das Tabak­rau­chen in der Schwan­ger­schaft und post par­tum. Moda­li­tä­ten, Wirk­sam­keit, Ein­füh­rung in die Moti­vie­ren­de Gesprächs­füh­rung und sozi­al-kogni­ti­ve Model­le zur Ver­hal­tens­än­de­rung, Z Geburtsh Neo­na­tol, 212: 87–93

Har­ling, M., Wleck­lik, C. (2004). Mög­lich­kei­ten der Rau­cher­prä­ven­ti­on durch Heb­am­men. Die Heb­am­me, 17: 111–116

Rei­ber, P., Graeb, F., Wol­ke, R., Wol­pert, I. (2021). Rauch­frei blei­ben – auch nach der Geburt. Die Heb­am­me, 34: 47–55

Stiegler, A., Batra, A. (2017). Tabak­ent­wöh­nung in der Schwan­ger­schaft. Die Heb­am­me, 30: 243–251

Vitzt­hum K., Laux M., Koch F. ,  Grone­berg D.A.,  Kus­ma B.,  Schwarz C., Pan­kow W. , Mache S. (2013). Heb­am­men und Rau­chen – Ein­stel­lun­gen, Rauch­sta­tus und Bera­tungs­kom­pe­tenz im Aus­bil­dungs­ver­lauf, Z Geburtsh Neo­na­tol, 217: 123–129