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„Unse­re Jugend ist her­un­ter­ge­kom­men und zucht­los. Die jun­gen Leu­te hören nicht mehr auf ihre Eltern. Das Ende der Welt ist nahe.“ 

(Keil­schrift aus Ur, zitiert nach Gnie­wosz und Titz­mann, 2018)

Schon vor über 4000 Jah­ren, wie in die­ser Keil­schrift aus Ur (Chaldäa) zu lesen ist, hat­te die Jugend kein gutes Image unter den Erwach­se­nen. Dies gilt bis heu­te. Doch was pas­siert in der Jugend­zeit, an die sich weni­ge Erwach­se­ne erin­nern wol­len, an die Zeit des Aus­pro­bie­rens und Ablö­sens, die Zeit des Fin­dens der eige­nen Identität?

Auf­bau eigen­stän­di­ger Kon­sum­mus­ter als Entwicklungsaufgabe
Die Puber­tät ist eine auf­re­gen­de Zeit, sie ist gekenn­zeich­net durch etli­che Umbrü­che. In die­ser Pha­se ent­wi­ckeln sich die Jugend­li­chen immer mehr zu Erwach­se­nen. Ent­wick­lungs­auf­ga­ben stel­len dabei kul­tu­rell und gesell­schaft­lich vor­ge­ge­be­ne Erwar­tun­gen und Anfor­de­run­gen. Inner­halb jener Bezugs­sys­te­me muss sich die per­so­nel­le und sozia­le Iden­ti­tät ent­fal­ten. Zu den Auf­ga­ben zäh­len bei­spiels­wei­se die Abna­be­lung von den Eltern, der Auf­bau von außer­fa­mi­liä­ren Bezie­hun­gen, die Ent­wick­lung eines eige­nen Wer­te­sys­tems aber auch das Über­neh­men von Ver­ant­wor­tung. Im Wech­sel­spiel damit steht die Aus­ein­an­der­set­zung mit eige­nen Kon­sum­mus­tern, wobei eine ers­te Aus­ein­an­der­set­zung damit bereits früh erfolgt und das all­ge­mei­ne Kon­sum­ver­hal­ten betrifft, unab­hän­gig von lega­len oder ille­ga­len Sucht­mit­teln. Das eige­ne Kon­sum­ver­hal­ten wie­der­um ist Teil und Aus­druck des Selbst, und die Aus­ein­an­der­set­zung damit ein wich­ti­ger Teil der Suchtvorbeugung.

Sucht beginnt nicht mit dem ers­ten Kon­sum, Vor­sicht ist jedoch geboten
Heut­zu­ta­ge ist es auf­grund der viel­sei­ti­gen Ange­bo­te eine Her­aus­for­de­rung, sich im Kon­sum- und Frei­zeit­sek­tor zurecht zu fin­den. Das Nein-Sagen fällt bei den ver­lo­cken­den Ange­bo­ten durch­aus schwer und Grenz­über­schrei­tun­gen kön­nen nicht aus­ge­schlos­sen wer­den. Es ist Vor­sicht gebo­ten, obwohl sich eine Abhän­gig­keits­er­kran­kung nicht auto­ma­tisch und sofort entwickelt.

Das Rau­chen, aber auch ande­re moder­ne For­men der Niko­tin­auf­nah­me, erfül­len bestimm­te Funk­tio­nen und die diver­sen Pro­duk­te sind zudem schnell und ein­fach ver­füg­bar. Zumal ist das Rau­chen ein Sta­tus­sym­bol für das Erwach­sen­sein – die Vor­bild­wir­kung von Eltern und ande­ren Erwach­se­nen darf nicht unter­schätzt wer­den, da Kin­der und Jugend­li­che ihre sozia­len Vor­bil­der und Ido­le imi­tie­ren! Vor­bil­der sind auch Influencer*innen, die in ihren Vide­os „ganz neben­bei“ an ihrer Vape Pen zie­hen: Das wirkt.

Wei­te­re Kon­sum­mo­ti­ve sind auch Neu­gier, Pro­vo­ka­ti­on, der Reiz des Ver­bo­te­nen, Gewichts­kon­trol­le, Stressbewältigung/Entspannung, Leis­tungs­stei­ge­rung oder bis­wei­len Grenz­über­schrei­tung. Damit eher nicht zu diver­sen Sucht­mit­teln gegrif­fen oder ande­re unge­sun­de Ver­hal­tens­wei­sen ent­wi­ckelt wer­den, ist es grund­sätz­lich wich­tig, so genann­te „Schutz­fak­to­ren“ zu iden­ti­fi­zie­ren sowie Bewäl­ti­gungs­stra­te­gien (Coping) zu erler­nen. Schutz­fak­to­ren sind dabei viel­fäl­tig und indi­vi­du­ell, aber immer sind es unter­stüt­zen­de, wert­schät­zen­de fami­liä­re und sozia­le Bin­dun­gen, aber auch Lebens­kom­pe­ten­zen. Gera­de die Sub­stanz Niko­tin ist näm­lich tückisch. Auf­grund ihres hohen Abhän­gig­keits­po­ten­ti­als besteht schnell die Gefahr eine Abhän­gig­keit zu ent­wi­ckeln. Und des­halb wer­den durch Schutz­fak­to­ren und Bewäl­ti­gungs­stra­te­gien idea­ler­wei­se gesün­de­re Alter­na­ti­ven zu den Funk­tio­nen gefun­den, die der Niko­tin­kon­sum erfüllt, und der Mut bestärkt, auch „nein“ zu sagen.

Ein star­kes Ich!
Wie kann es geschafft wer­den, Jugend­li­che vor einer Abhän­gig­keit zu bewah­ren? – Sie über die Gefah­ren zu infor­mie­ren, die von jeg­li­chen Niko­tin­pro­duk­ten aus­geht, ist ein Weg, aber oft­mals reicht die Wis­sens­ver­mitt­lung nicht aus.
Blei­ben Sie in Kon­takt, beglei­ten Sie und füh­ren Sie Gesprä­che auf Augen­hö­he, ohne zu mora­li­sie­ren und ohne Abwer­tun­gen (von ein­zel­nen Per­so­nen wie Freund*innen). Neh­men Sie gene­rell eine ableh­nen­de Hal­tung gegen­über Niko­tin­pro­duk­ten aller Art ein und machen Sie den Wunsch deut­lich, dass Ihr Kind gesund blei­ben soll, indem es nicht dazu greift. Kla­re Regeln wie ein Ver­bot von Rau­chen, Damp­fen und Co. zu Hau­se für alle Per­so­nen, die sich im Haus befin­den, sind för­der­lich. Ermög­li­chen Sie aber auch Mit­be­stim­mung und Ver­ant­wor­tungs­über­nah­me. Wenn Sie selbst rau­chen, machen Sie sich als Per­son beson­ders spür­bar, wenn Sie über Ihre eige­nen Moti­ve und etwa­ige Schwie­rig­kei­ten berich­ten. Auch Ver­zichts­expe­ri­men­te, bei denen die gesam­te Fami­lie – oder Klas­se – teil­nimmt, haben eine posi­ti­ve Wirkung.

„Gesun­de“ Ent­schei­dun­gen tref­fen, kri­tisch den­ken (Raucher*innen sind nicht, wie viel­leicht ange­nom­men, die Mehr­heit; es gibt mehr Nicht­rau­chen­de als Rau­chen­de!), sich selbst gut ken­nen und mögen, Kon­flik­te und Stress bewäl­ti­gen kön­nen – all das sind per­sön­li­che Res­sour­cen, die erlern- und för­der­bar sind. Man bezeich­net sie auch als Lebens­kom­pe­ten­zen, die die Grund­la­ge von Gesund­heits­för­de­rung und Prä­ven­ti­on bil­den. Bei der Ent­fal­tung der Iden­ti­tät ist Selbst­wahr­neh­mung und Selbst­re­fle­xi­on ein wich­ti­ger Bau­stein. Nur wer sich selbst spürt und wahr­nimmt, ist in der Lage zu erken­nen, was gut tut und was nicht. Das ist die Basis der Per­sön­lich­keits­bil­dung, aber auch der Sucht­vor­beu­gung. Der Fokus liegt nicht auf dem WAS, son­dern dem WAR­UM: Dadurch kön­nen „gesün­de­re“ Alter­na­ti­ven ent­wi­ckelt wer­den, die die Funk­tio­nen des Niko­tin­kon­sums erfül­len. Auch wenn Pro­bier- und Expe­ri­men­tier­kon­sum zum Erwach­sen­wer­den dazu­ge­hö­ren, ist es wich­tig, nicht weg­zu­schau­en.


AUTORIN
Pro­jekt­lei­tung Suchtprävention
Schwer­punkt Schule

Gnie­wosz, B./Titzmann, P. (2018). Hand­buch Jugend. Stutt­gart: Kohlhammer

Hau­ßer, K. (1995). Iden­ti­täts­psy­cho­lo­gie. Hei­del­berg: Springer

Lar­go, R. (1999). Kin­der­jah­re. Mün­chen: Piper

Schenk-Danz­in­ger, L. (2008). Ent­wick­lungs­psy­cho­lo­gie. Wien: G&G

World Health Orga­ni­sa­ti­on. Divi­si­on of Men­tal Health. (1994). Life skills edu­ca­ti­on for child­ren and ado­le­s­cents in Schools Pt. 1, Intro­duc­tion to life skills for psy­cho­so­cial com­pe­tence and PT. 2. Gui­de­lines: The deve­lo­p­ment and imple­men­ta­ti­on of life skills pro­gram­mes, 2nd rev. World Health Orga­niza­ti­on. https://apps.who.int/iris/bitstream/handle/10665/63552/WHO_MNH_PSF_93.7A_Rev.2.pdf?sequence=1&isAllowed=y

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