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Tabak­freie Niko­tin­beu­tel, auch „Pou­ch­es“, „white Snus“ oder „Nico­bags“ genannt, sind wei­ter­hin ein gro­ßer Trend. Sie sind unter ver­schie­de­nen Mar­ken­na­men wie „Skruf“, „Velo“ oder „Faro“ erhält­lich und wer­den an vie­len Ver­kaufs­stel­len (z. B. Tra­fi­ken, Tank­stel­len oder Auto­ma­ten) ange­bo­ten. Auf­grund der feh­len­den gesetz­li­chen Rege­lung kön­nen sie inten­siv bewor­ben wer­den oder gar gra­tis ver­teilt. Unter­schied­li­che Geschmacks­rich­tun­gen und anspre­chen­de Ver­pa­ckun­gen machen den Kon­sum die­ser Pro­duk­te für Jugend­li­che äußerst ver­lo­ckend. Eltern und Pädagog*innen ste­hen die­sem Trend zurecht besorgt gegen­über. Die Auf­nah­me ins Tabak- und Nicht­rau­che­rin­nen- bzw. Nicht­rau­cher­schutz­ge­setz (TNRSG) ist bis­lang nicht geglückt. Wie also damit (wei­ter­hin) umgehen?

Was sind Nikotinbeutel?

Niko­tin­beu­tel sind klei­ne Beu­tel, die haupt­säch­lich aus Niko­tin, Pflan­zen­fa­sern und Aro­men bestehen. Sie wer­den in der Mund­höh­le meist unter die Ober­lip­pe geklemmt und dort für die Dau­er von min­des­tens 10 Minu­ten bis hin zu einer Stun­de belas­sen. Auf die­sem Weg wird das Niko­tin über die Mund­schleim­haut vom Kör­per auf­ge­nom­men. Niko­tin­beu­tel unter­schei­den sich vom schwe­di­schen „Snus“, das her­kömm­li­chen Tabak ent­hält. Die Anwen­dung ist jedoch ident. Nach­dem Niko­tin­beu­tel tabak­frei sind, wer­den sie ger­ne als „gesün­de­res“ Pro­dukt vermarktet.

Pou­ch­es gibt es in unter­schied­li­chen Stär­ken, die Anga­ben sind oft­mals unklar defi­niert oder feh­len ganz. Man­che Beu­tel wei­sen gar einen 4‑fach höhe­ren Niko­tin­ge­halt auf im Ver­gleich zur her­kömm­li­chen Ziga­ret­te. Hin­zu kommt, dass in etwa die Hälf­te des Niko­tins vom Kör­per auf­ge­nom­men wer­den kann – bei der Ziga­ret­te sind es „nur“ rund 10%. Die Dau­er des Ver­bleibs im Mund ist eben­so aus­schlag­ge­bend für den Niko­tin­spie­gel im Kör­per1. Im All­ge­mei­nen nimmt man beim Kon­sum von Pou­ch­es deut­lich mehr Niko­tin im Kör­per auf als beim Rau­chen einer Zigarette.

Sind Niko­tin­beu­tel unbedenklich?

Niko­tin­beu­tel ent­hal­ten also, wie der Name schon sagt, Niko­tin, wel­ches sehr schnell psy­chisch wie phy­sisch abhän­gig machen kann. Es schwächt unter ande­rem die Immun­ab­wehr und kann das Risi­ko für Dia­be­tes-Typ‑2 erhö­hen. Gene­rell gespro­chen ist Niko­tin ein Ner­ven­gift und gefähr­lich für die Gesundheit.

Das Beson­de­re an Niko­tin ist sein „biva­len­tes Wirk­spek­trum“: Es wirkt somit auf zwei Wei­sen. Das bedeu­tet, dass die Wir­kung einer­seits anre­gend, ande­rer­seits ent­span­nend sein kann. Die Wir­kung hängt von der Dosis, auch der kör­per­li­chen Ver­fas­sung und der Aus­gangs­stim­mung der Konsument*innen ab2. Gerin­ge Men­gen erhö­hen Blut­druck und Herz­fre­quenz, wodurch die Wach­heit und die Auf­merk­sam­keit stei­gen. Trotz die­ses gewoll­ten Effekts zur Leis­tungs­stei­ge­rung ver­en­gen sich Blut­ge­fä­ße und die Gefahr von Blut­ge­rin­nung sowie Throm­bo­sen erhöht sich. Hohe Men­gen von Niko­tin wie­der­um sen­ken Blut­druck und Herz­fre­quenz. Die Wir­kung auf das so genann­te „Brech­zen­trum“ im Gehirn kann Übel­keit und Erbre­chen her­vor­ru­fen2.

Nach­dem die Niko­tin­do­sis von Niko­tin­beu­teln teil­wei­se um ein Viel­fa­ches höher ist als in her­kömm­li­chen Ziga­ret­ten, besteht bei Konsument*innen schnel­ler die Gefahr der Über­do­sie­rung. Die­se äußert sich in Kreis­lauf­pro­ble­men und Übel­keit, bis hin zu star­kem Erbre­chen. Sie kann auch Atem­not und epi­lep­ti­sche Anfäl­le her­vor­ru­fen. Beson­ders beim Erst­kon­sum bzw. bei uner­fah­re­nen Konsument*innen, sowohl bei Jugend­li­chen als auch Erwach­se­nen, kann es schnell zu Über­do­sie­rung und Niko­tin­ver­gif­tung kommen.
In den Pro­jek­ten der Fach­stel­le NÖ machen wir die Erfah­rung, dass Jugend­li­che die­se Kon­se­quen­zen teil­wei­se sogar bewusst in Kauf neh­men. Der Reiz der unbe­kann­ten Wir­kung sowie der Wunsch, Mut zu bewei­sen, ist bei Jugend­li­chen höher als die Angst vor nega­ti­ven Kon­se­quen­zen. Doch gera­de für das her­an­wach­sen­de Gehirn ist Niko­tin beson­ders schäd­lich, da es die Rei­fung gewis­ser Hirn­area­le beein­träch­ti­gen kann3.

Noch feh­len unab­hän­gi­ge Stu­di­en zu wei­te­ren (lang­fris­ti­gen) Aus­wir­kun­gen des Nico­bag-Kon­sums. Neben der Gefahr der Abhän­gig­keit berich­ten Konsument*innen schon nach kur­zer Ver­wen­dungs­dau­er von Pro­ble­men mit Zäh­nen und Zahnfleisch.

Niko­tin­beu­tel sind kei­nes­wegs unge­fähr­lich, kön­nen schnell abhän­gig machen und gehö­ren nicht in die Hän­de von Kin­dern und Jugendlichen!

Was sagt das Gesetz?

Niko­tin­beu­tel ent­hal­ten kei­nen Tabak oder Liquids wie bei elek­tro­ni­schen Dampf­pro­duk­ten. Des­halb fal­len sie auch nicht unter das Tabak- und Nicht­rau­che­rin­nen bzw. Nicht­rau­cher­schutz­ge­setz5 (TNRSG) und sind für alle Men­schen frei erhält­lich – ohne Alters­be­schrän­kung. Eine Selbst­ver­pflich­tung der Trafikant*innen soll eine Abga­be von Niko­tin­beu­teln an unter 18-Jäh­ri­ge abwen­den. Das gilt aller­dings nicht für ande­re Ver­kaufs­stel­len. Aus Sicht der Sucht­prävention ist eine Auf­nah­me von Niko­tin­beu­teln in das TNRSG drin­gend zu emp­feh­len. Dadurch könn­ten bun­des­weit diver­se Regu­lie­run­gen grei­fen, wie bei­spiels­wei­se Alters­gren­zen, Bewer­bung, Höchst­men­gen an Niko­tin oder Bekannt­ga­be aller Inhaltsstoffe.

Vor­erst sind und blei­ben Niko­tin­beu­tel in Öster­reich unzu­rei­chend reguliert! 

„Aber der Jugend­schutz regelt doch…?“

Im NÖ Jugend­ge­setz6 wer­den kon­kret Tabak­er­zeug­nis­se und ver­wand­te Erzeug­nis­se nach dem TNRSG behan­delt und sind an all­ge­mein zugäng­li­chen Orten und bei öffent­li­chen Ver­an­stal­tun­gen bis zur Voll­endung des 18. Lebens­jah­res ver­bo­ten. Die Sub­stanz Niko­tin wird aber nicht spe­zi­fisch ange­führt. Somit sind Niko­tin­beu­tel auch im NÖ Jugend­ge­setz nicht expli­zit gere­gelt, sie wer­den aber vom §18 Abs. 4 NÖ Jugend­ge­setz mitumfasst:

Jun­ge Men­schen dür­fen „Dro­gen und ande­re Stof­fe, die geeig­net sind, rau­sch­ähn­li­che Zustän­de, Süch­tig­keit, Betäu­bung oder phy­si­sche oder psy­chi­sche Erre­gungs­zu­stän­de her­vor­zu­ru­fen und nicht unter das Sucht­mit­tel­ge­setz (…) fal­len, nicht besit­zen, ver­wen­den oder zu sich nehmen. (…)“ 

Die­ser Absatz rich­tet sich an die Jugend­li­chen selbst, sie sind ent­spre­chend straf­bar. Aber auch Erwach­se­ne bege­hen eine Ver­wal­tungs­über­tre­tung, wenn sie Jugend­li­chen den Besitz oder Kon­sum sol­cher Dro­gen und Stof­fe ermög­li­chen. Dem­nach dür­fen Niko­tin­beu­tel auch nicht an Jugend­li­che ver­kauft werden.

Was kön­nen also Eltern und Pädagog*innen tun?

Um mit Kin­dern und Jugend­li­chen für ein spe­zi­el­les The­ma wie Niko­tin­beu­tel eine gute Gesprächs­ba­sis zu haben, macht es Sinn, vor­ab Infor­ma­tio­nen dazu einzuholen.

The­ma­ti­sie­ren Sie Niko­tin­kon­sum, egal wel­che Form(en) davon, mit Ihrem Kind bzw. Ihren Schüler*innen! Sei­en Sie im Gespräch dabei offen, sach­lich und wert­schät­zend. Neh­men Sie Mei­nun­gen und Sor­gen der Jugend­li­chen stets ernst. Es bestärkt das Ver­trau­en Ihres Kin­des bzw. Ihrer Schüler*innen, sich mit aller­lei The­men, die sie beschäf­ti­gen, an Sie zu wen­den. Auch wenn Sie selbst rau­chen, haben Sie einen Ein­fluss auf das Nicht­rau­chen Ihres Kin­des. „Übers Rau­chen zu reden“ bewirkt hier mehr, als es nicht zu thematisieren.

Es ist wich­tig, eine kla­re Hal­tung gegen den Kon­sum von Tabak- und Niko­tin­pro­duk­ten aller Art ein­zu­neh­men! Spre­chen Sie mit Ihrem Kind bzw. mit Ihren Schüler*innen über die Grün­de, war­um Jugend­li­che Niko­tin­beu­tel oder ande­re Niko­tin­pro­duk­te kon­su­mie­ren. Wel­che zugrun­de lie­gen­den Bedürf­nis­se könn­ten hin­ter dem Kon­sum ste­hen? Gibt es ande­re Wege, um die­se Bedürf­nis­se zu stil­len? Rau­chen Sie selbst, the­ma­ti­sie­ren Sie offen (Ihre) Grün­de und mög­li­che Schwie­rig­kei­ten. Damit machen Sie sich glaub­wür­dig und als Per­son spürbar.

Um Pou­ch­es und wei­te­re For­men des Niko­tin­kon­sums in Schu­len zu behan­deln, bie­ten wir das Pro­jekt „Prä­ven­ti­on von Alko­hol- und Niko­tin­kon­sum“ an, wel­ches neben einer Fort­bil­dung für Pädagog*innen auch Work­shops für Jugend­li­che und einen Eltern­in­for­ma­ti­ons­abend umfasst. Zusätz­lich kann mit unse­rem pro­jekt­un­ab­hän­gi­gen Arbeits­ma­te­ri­al „Tabak und Niko­tin“ das The­ma auf unter­schied­li­che Wei­se im Unter­richt auf­ge­grif­fen werden.

Vie­le wert­vol­le Tipps zur Gesprächs­füh­rung mit Kin­dern und Jugend­li­chen rund um das The­ma Rau­chen gibt es auch in unse­rer Bro­schü­re „Übers Rau­chen reden“.

Wei­te­re Infor­ma­tio­nen zu Niko­tin­beu­teln sowie ande­ren (rauch­frei­en) Tabak- bzw. Niko­tin­pro­duk­ten fin­den Sie unter: www.check-yourself.at .
Auch das Rauch­frei Tele­fon gibt aller­hand Infos zu Pro­duk­ten und hilft beim Aus­stieg, auch per App!

Inter­es­san­te und zusam­men­ge­fass­te Fak­ten bie­tet das Posi­ti­ons­pa­pier „Tabak und Niko­tin“ der öster­rei­chi­schen Fach­stel­len für Sucht­prävention, wel­ches die gemein­sa­me fach­li­che Ein­schät­zung aller neun öster­rei­chi­schen Fach­stel­len zu die­sem The­ma wie­der­gibt4.

Zum Weltnichtraucher*innentag haben wir einen Pod­cast über das The­ma “Niko­tin­beu­tel und Co.” auf­ge­nom­men. Sie fin­den den Pod­cast auf Spo­ti­fy und auf You­Tube.


AUTORIN
Pro­jekt­lei­tung Suchtprävention
Schwer­punkt Schule

1Bun­des­in­sti­tut für Risi­ko­be­wer­tung. (2021). Gesund­heit­li­che Bewer­tung von Niko­tin­beu­teln (Niko­tin­pou­ch­es): Stel­lung­nah­me Nr. 023/2022 des BfR vom 07. Okto­ber 2022. Zugriff am 04.01.2024: https://www.bfr.bund.de/cm/343/gesundheitliche-bewertung-von-nikotinbeuteln-nikotinpouches.pdf

2Deut­sches Krebs­for­schungs­zen­trum (Hrsg.). (2008). Niko­tin. Phar­ma­ko­lo­gi­sche Wir­kung und Ent­ste­hung der Abhän­gig­keit. Zugriff am 04.01.2024: https://www.dkfz.de/de/tabakkontrolle/download/Publikationen/FzR/FzR_Nikotin.pdf

3Deut­sches Krebs­for­schungs­zen­trum. (2015). Gesund­heits­ri­si­ko Niko­tin.
Zugriff am 04.01.2024: https://www.dkfz.de/de/tabakkontrolle/download/Publikationen/FzR/FzR_Gesundheitsrisiko_Nikotin_web.pdf

4Öster­rei­chi­sche ARGE Sucht­vor­beu­gung (2022): Tabak und Niko­tin. Posi­ti­ons­pa­pier der öster­rei­chi­schen Fach­stel­len für Sucht­prävention.
Zugriff am 04.01.2024: https://www.suchtvorbeugung.net/downloads/ARGE_Positionspapier_Tabak.pdf

5Rechts­in­for­ma­ti­ons­sys­tem des Bun­des (RIS). (2021, 11. Okto­ber). Gesam­te Rechts­vor­schrift für Tabak- und Nicht­rau­che­rin­nen- bzw. Nicht­rau­cher­schutz­ge­setz, Fas­sung vom 04.01.2024. RIS.
Zugriff am 04.01.2024: https://www.ris.bka.gv.at/GeltendeFassung.wxe?Abfrage=Bundesnormen&Gesetzesnummer=10010907

6Rechts­in­for­ma­ti­ons­sys­tem des Bun­des (RIS). (2021, 18. Novem­ber). Lan­des­recht kon­so­li­diert Nie­der­ös­ter­reich: Gesam­te Rechts­vor­schrift für NÖ Jugend­ge­setz, Fas­sung vom 04.01.2024. RIS. Zugriff am 04.01.2024:  https://www.ris.bka.gv.at/GeltendeFassung.wxe?Abfrage=LrNO&Gesetzesnummer=20000556

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